Offener Mitgliederabend der AbL Schleswig-Holstein/ Hamburg am 16.07.2025
Die Implementierung einer fairen, verursachergerechten, aber auch umweltschonenden und für sowohl die Betriebe als auch in der Verwaltung und Beratung praktikabel umsetzbare Düngeverordnung ist eine langjährige Forderung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Als Frage formuliert – „Wie kann das gehen?“ hat das Thema den Rahmen für die Veranstaltung „Düngepolitik?! Fair. Praktikabel. Umweltschonend. Verursachergerecht.“ gestellt, die als Offener Mitgliederabend der AbL Schleswig-Holstein/HH, am 16. Juli 2025, diesmal zu Gast beim Maschinenring Mittelholstein, stattgefunden hat.
Die Kritik an der deutschen Düngepolitik, aber auch am Monitoring der Nährstoffbelastungen in Gewässern und im Grundwasser ist vielfältig und kommt von allen Seiten: Deutschland setzt seit Jahrzehnten die europäischen Gewässer-, und Umweltschutzziele nicht hinreichend um, zwischen 2013 und 2023 gab es deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Deutschland wegen Nichteinhaltung der europäischen Nitratrichtlinie. Seitdem wurden viele Regelungen eingeführt, überarbeitet und wieder verworfen. Als zu bürokratisch wird die aktuelle Düngeverordnung kritisiert, als unfair die Ausweisung roter Gebiete, in denen die Nitratbelastung besonders hoch ist und in der Folge nun weniger gedüngt werden darf. Auch das Instrument Stoffstrombilanz hat viele Kritiker: Der Bürokratieaufwand sei hoch, ein zahnloser Tiger sei das Instrument, zu ambitionslos die einzuhaltenden N-Salden.
Nun ist auf bundespolitischer Ebene vor wenigen Tagen die Pflicht zur Erstellung von Stoffstrombilanzen für Betriebe abgeschafft worden, - so sollen nach dem Willen der Politiker:innen landwirtschaftliche Betriebe von bürokratischem Aufwand entlastet werden.
Spannende Zahlen aus ihren Beratungsgebieten hatte Dr. Heidi Schröder von der Gewässerschutzberatung Nord (gws| nord) im Gepäck. In ihrem Vortrag „Wie lassen sich Stoffstrombilanzen praktikabel und wirksam für Betriebe, Beratung und Verwaltung ein- bzw. umsetzen?“ hat sie diese den interessierten Besucher:innen der Veranstaltung vorgestellt.
Ziel der Erstellung von Stoffstrombilanzen ist es, die Nährstoffflüsse transparenter zu machen und die Umweltbelastung durch Nährstoffüberschüsse zu reduzieren. Gleichzeitig könne ein verlustarmer Nährstoffkreislauf die Wirtschaftlichkeit der Betriebe steigern, stellte sie ihrem Vortrag voraus.
Die Agraringenieurin konnte anschaulich darstellen, welche Schwachstellen beim Thema Nährstoff-Effizienz die Erstellung von Stoffstrombilanzen im einzelnen Betrieb deutlich macht und welche Maßnahmen sich dann aus der Schwachstellenanalyse ableiten lassen. Naturgemäß ergeben sich hierbei je nach Betriebsart und Bewirtschaftung Unterschiede. Ist in einem Betrieb etwa eine erhöhte Stickstoffzufuhr über Mineraldünger festzustellen, können durch eine effiziente organische Düngung mit Fokus auch auf eine verlustarme und zeitlich optimale Ausbringung Stickstofflasten reduziert werden. Ist eine erhöhte N-Zufuhr über Futtermittel festzustellen, sei es eine Möglichkeit, die Grundfutterleistung zu erhöhen und dabei auch auf ein optimales Grünlandmanagement zu setzen: sprich im Betrieb ein vermehrtes Augenmerk auf die Narbenzusammensetzung und -qualität, sowie durch regelmäßige Bodenuntersuchungen der ph-Werte die Phosphorverfügbarkeiten im Grünland zu kontrollieren, nennt Heidi Schröder Beispiele für Maßnahmen zur Steigerung der Nährstoffeffizienz und Verringerung der Stickstoffsalden in der Bilanz.
Den Aufwand zur Erstellung der Stoffstrombilanzen schätzt die Agraringenieurin dabei als überschaubar ein. Die Bereitstellung des NP-Rechners der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein sei dabei von großem Nutzen, da mit automatisierten Datenabfragen der Rechercheaufwand sank. Die Buchführungsverbände hätten sich zudem darauf eingestellt und lieferten gut reproduzierbare Daten. Die Datenqualität habe sich so zunehmend verbessert. Auch der Landhandel habe gut reagiert und Listen erstellt mit den entsprechenden Lieferungen, die abgerufen werden können. Ihr Fazit: Noch nie war die Berechnung der Stoffstrombilanz so einfach wie heute, die Daten seien in der Regel gut verfügbar, Bilanzen konnten zuletzt auch periodenecht gerechnet werden, der Aufwand war überschaubar und vielfach auch unbürokratisch.
Die Gewässerschutzberatung unterstützt die Betriebe bei der Erstellung der Bilanzen und auch beim Finden von Maßnahmen für ein effizienteres Nährstoffmanagement. In der Gewässerschutzberatung können die Betriebe dabei von einem kostenfreien, betriebsindividuellen, vertraulichen und freiwilligen Beratungskonzept profitieren.
Auch die Kritik sei nicht unberechtigt gewesen: So seien die erlaubten Stickstoffsalden, tatsächlich zu hoch gewesen. Ein zulässiger Stoffstrom-Bilanzwert von jährlich 175 kg N/ha reiche nicht aus, um Umweltbelastungen tatsächlich zu vermindern. Eine wissenschaftliche Begründung des zulässigen Bilanzwertes und eine fachlich ernsthafte Diskussion hierzu habe nicht stattgefunden. Dabei sei es vielen Betriebsleiter:innen, die sich für den Gewässerschutz aktiv agieren wollen, schleierhaft gewesen, dass man politisch einen Kontrollwert auswählt, den zu erreichen fast jeder Betrieb ohne weitere Anstrengungen imstande ist. Dies zeigten eindrucksvoll auch die Zahlen aus den Beratungsgebieten, die Dr. Heidi Schröder dabei hatte.
Zudem habe es eben mit dem zu ermittelnden „betriebsindividuellen zulässigen Bilanzwert“ eine zusätzliche Möglichkeit gewesen, den zulässigen Bilanzwert noch weiter heraufzusetzen. Zusätzlich sieht die Stoffstrombilanz-Verordnung keine spürbaren Konsequenzen für die Überschreitung der Obergrenze vor. Es ist außerdem keine Bewertung der betrieblichen Phosphor-Salden möglich – hier fehle ein wichtiger Kontrollwert.
Dennoch habe das Instrument viel Potenzial gehabt. Als Fazit zur jüngst abgeschafften Stoffstrombilanz bilanziert sie aus der Sicht der Gewässerschutzberatung: „Der Gesetzgeber hat eine gute Chance vertan, klare Zeichen für effizientes, durchdachtes und umweltschonendes Nährstoffmanagement in der Landwirtschaft zu setzen.“
Das BMLEH hat angekündigt, nach der Abschaffung der Stoffstrombilanzierung gegebenenfalls ein geändertes Düngegesetz vorzulegen und auch das Monitoring der Wirksamkeit der Düngeverordnung zu verbessern, um zu prüfen, ob und wie in Zukunft besonders wasserschonend wirtschaftende Betriebe in den mit Nitrat belasteten Gebieten (rote Gebiete) von bestimmten Auflagen entlastet werden können. Konkretere Pläne hierzu sind aus dem Hause des Landwirtschaftsministers Alois Rainer hierzu bisher nicht vorgestellt worden. Es bleibt daher spannend, wie Deutschland zukünftig die Umsetzung wichtiger europäischer Standards wie der EU-Nitratrichtlinie zum Gewässerschutz oder auch der EU-Richtlinie zur Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe national umsetzen möchte.
Auf Anfrage kann die Präsentation von Dr. Heidi Schröder zur Verfügung gestellt werden. (Anfrage: info@abl-niedersachsen.de)